Bei segmentalen Phänomenen handelt es sich um Projektionen oder Veränderungen an der Körperoberfläche die ihren Ursprung in tiefer liegenden Strukturen wie z.B. Organen haben. Dies ist z.B. der Fall, wenn es im Organ zu einer Funktionsstörung kommt.
Beispiele für segmentale Phänomene sind z.B. Bindegewebszonen und übertragener Schmerz. Auf letzteres soll hier näher eingegangen werden.
Warum kann es bei einer Störung eines Organs überhaupt zu Veränderungen oder Symptomen an einer anderen Stelle im Körper kommen? Auf der Suche nach den Ursprüngen solcher Phänomene landet man schnell beim Begriff der segmentalen Innervation. Darunter ist zu verstehen, dass verschiedene Körperstrukturen wie Muskeln, Organe, Gelenkkapseln usw. aus den gleichen Rückenmarksegmenten nerval versorgt werden. Die Grundlage hierfür bildet die embryologische Entwicklung.
Ein bekanntes Beispiel: Das Herz wird auf vielerlei Wege durch Nerven versorgt. Die Bindegewebshülle welche das Herz umgibt (das sog. Pericard) wird z.B. durch den Nervus phrenicus innerviert. Er entspringt aus den Rückenmarksegmenten der 3. – 5. Halswirbel. Gleichzeitig versorgen Nerven aus diesen Rückenmarksegmenten sensibel die Haut und motorisch die Muskulatur im Bereich der Schultern und der Arme. Kommt es zu einer Reizung im Bereich des Pericards kann dies so zu einer Wahrnehmung von Schmerzen im Bereich der linken Schulter führen. Der Schmerz der seinen Ursprung also eigentlich in einem tief liegenden Organ hat wird an einer anderen Stelle wahrgenommen. Man spricht hier vom sog. übertragenen Schmerz oder Referred Pain. Es handelt sich dabei im Prinzip um eine Fehlinterpretation des Gehirns. Über den Nervus phrenicus kommt der Reiz aus dem Pericard im Bereich der Halswirbelsäule (C3-C5) im Rückenmark an. Von hier wird die Information ins Gehirn weitergeleitet. Das Gehirn wiederum projiziert den Schmerz nun in dessen vermeintliches Ursprungsgebiet: Den Schulter- und Armbereich. In der Regel ist hier die linke Seite betroffen, bei manchen Menschen jedoch auch die rechte oder auch beide Seiten.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass Schmerzen nicht immer ihren Ursprung dort haben müssen wo sie entstehen. Dies gilt nicht nur für das Herz, sondern im Prinzip für alle Organe und tiefer liegenden Strukturen. In der osteopathischen Diagnose haben segmentale Zusammenhänge daher eine große Bedeutung. Ziel ist optimalerweise nicht nur eine symptomatische Behandlung von Schmerzen, sondern zusätzlich an der Stelle der Schmerzursache anzusetzen. Im Falle von Organen ist dies etwa durch bestimmte viszerale Techniken möglich.
Wohlgemerkt, nicht jeder Schmerz wird durch die Existenz der beschriebenen Zusammenhänge automatisch zu einem übertragenen Schmerz. In vielen Fällen handelt es sich auch um lokale Probleme. Im Rahmen von chronischen oder behandlungsresistenten Schmerzen sollten segmentale Zusammenhänge immer in Betracht gezogen werden.